IT-Security

Digitale Bildung: Leider nur mangelhaft

16. September 2020 von PSW GROUP Redaktion

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Corona hat nicht nur das Arbeiten, sondern auch die Bildung digital gemacht – zumindest war das das Ziel von Home-Schooling. Im heutigen Beitrag beleuchten wir, warum digitale Bildung hierzulande noch in den Kinderschuhen steckt.

Ausstattung der Schulen

Im jüngsten Nationalen Bildungsbericht, der im Auftrag von Bundesregierung und Ländern erstellt wurde, konnte leider wissenschaftlich bestätigt werden, was zahlreiche Kinder, Jugendliche und Eltern schon seit Mitte März spüren: Auf digitalen Unterricht sind Schulen hierzulande nur mangelhaft vorbereitet. Alle zwei Jahre findet diese Untersuchung statt. Bildungsforscher und Mitverfasser der Studie Kai Maaz fällt ein deutliches Urteil: „Bislang fehlt es an einer überzeugenden und abgestimmten Strategie für die Bildung in einer digitalisierten Welt.“ Wo genau liegen die Probleme?

Wenn Schulen überhaupt an technischer Ausstattung verfügen, so ist diese veraltet. Das führt zu einem erhöhten Sicherheitsrisiko: Mehr Schwachstellen ergeben ein deutlich erhöhtes Potenzial für Hackerangriffe. Fehlt es an Ausstattung, so ist keine ausreichende Bildung in der digitalen Welt möglich. Kinder und Jugendliche können den Umgang mit digitalen Medien so nicht erlernen.

Überhaupt bräuchten Kinder und Jugendliche zum Erlernen die Erfahrungen der Lehrkräfte. Doch laut der Studie hänge es von der „Grundhaltung des Personals“ ab, ob und wie digitale Medien im Unterricht eingesetzt werden. Wenn Lehrkräfte digital ungebildet sind, wie sollten ihre Schülerinnen und Schüler digitale Bildung erlernen?

Um das zu ändern, möchte die Bundesregierung investieren: Für 500 Millionen Euro sollen Bildungskräfte mit Dienstrechnern ausgerüstet werden. Dieselbe Summe hatte die Große Koalition schon übers Konjunkturpaket bereitgestellt; bedürftige Schülerinnen und Schüler sollen mit diesem Geld Leihgeräte erhalten. Nach dem Bildungsgipfel verkündete ein Regierungssprecher, Bundeskanzlerin Angela Merkel wolle Gespräche mit sämtlichen für Schulen zuständigen Ressortchefs führen, um einen entsprechenden Beschluss zu erzielen.

500 Millionen Euro für die technische Ausstattung von Lehrern – das klingt erst mal großzügig. Bedenkt man jedoch, dass mehr als 800.000 Lehrkräfte an allgemeinbildenden und beruflichen Schulen beschäftigt sind, reduziert sich das schon sehr: Pro Endgerät stehen rund 600 Euro zur Verfügung. Software und Services, die Sicherheit bieten, müssen auch einkalkuliert werden: Auch Lehrkräfte müssen sich an die DSGVO halten, sie müssen bei der Auswahl der verwendeten Software auf Verschlüsselung, auf die allgemeine Sicherheit, aber auch auf den Datenschutz achten. Wie wir in unserem Beitrag „IT-Sicherheit Home-Office & Homeschooling“ darlegten, ist auch der Bildungssektor nicht vor Angriffen durch Hacker gefeit.

Bildung – wie lief das eigentlich während der Pandemie?

Im April dieses Jahres gab die Deutsche Telekom Stiftung eine Studie in Auftrag, die sich mit dem Homeschooling befasste. Schülerinnen und Schüler sehen sich demnach heimisch bestens ausgestattet und könnten im Schnitt etwa 3,5 Stunden täglich strukturiert lernen. Auf hochwertigen digitalen Unterricht hätten sich die Lernenden jedoch nicht verlassen können: „Klar wird dabei auch, dass Schulen und Lehrkräfte Wissen in Zeiten von Corona eher herkömmlich vermitteln, indem sie Arbeitsblätter per Mail versenden und die Schüler Texte lesen lassen. Kreative Wissensvermittlung zum Beispiel über echten Fernunterricht, Erklärvideos oder digitale Gruppenarbeit findet kaum statt. Die Eltern sind die wichtigsten Unterstützer für das Lernen zu Hause“, erklärt die Stiftung beim Vorstellen der Studie. So richtig klappt die aktuelle Kommunikation per E-Mail mit Lehrkräften auch nicht: Lediglich 52 % der Lernenden gab an, Rückmeldung zu Aufgaben oder Leistungen von Lehrkräften zu erhalten.

Wie heise.de berichtet, möchte die Deutsche Telekom für Schülerinnen und Schüler eine Flatrate zum mobilen Lernen anbieten. 10 Euro werden monatlich dafür fällig – enthalten ist die Datennutzung mit unbegrenztem Volumen. Ausschließlich für Bildungsinhalte sei die Flat nutzbar. Schulen und Schulträger sollen entscheiden, welche Schüler von diesem Angebot profitieren könnten. Ausschlaggebend für diesen Tarif war Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU), die Telekommunikationsanbieter um günstige Tarife gebeten habe. Vorrangig ginge es um Kinder, deren Eltern keine Netzanbindung bezahlen können – also Kinder aus wirtschaftlich schwachen Familien. Natürlich lässt sich vortrefflich darüber streiten, ob Familien, die sich keinen Netzanschluss leisten können, sich denn diese 10 Euro leisten könnten.

Digitale Bildung – Lernplattform und IT-Sicherheit

Ein riesiges Problem in der digitalen Bildung ist die Tatsache, dass es keinen bundeseinheitlichen Standard gibt. Jedes Bundesland kocht sein eigenes Süppchen, jedes bietet seine eigene Lernplattform. Die Site bildung.digital, die sich als Themenportal für Schulen versteht, benennt in diesem Überblick die Lernplattformen einzelner Bundesländer. Dass nicht jede dieser Lernplattformen so sicher ist, dass Hacker ausgesperrt bleiben, zeigten wir bereits im oben verlinkten Beitrag „IT-Sicherheit Home-Office & Homeschooling“, in dem wir vom mebis-Hack, aber auch von gekapertem Videounterricht und missbrauchten Schulwebsites berichteten.

Konzept für den Einsatz digitaler Medien? Fehlanzeige

Wir haben also zwei Hauptprobleme für die digitale Bildung identifiziert: Schulen und Lehrkräfte sind wenig bis schlecht ausgestattet und Plattformen für digitale Bildung sind weder standardisiert noch besonders sicher. Es gibt jedoch noch ein drittes, sehr entscheidendes Problem: Hierzulande existiert gar kein Konzept für die digitale Bildung!

Peter Liggesmeyer erklärt in seiner Funktion als Leiter des Fraunhofer-Instituts IESE in Kaiserslautern, dass mehr Endgeräte und Breitbandanschlüsse nicht alles seien. „Für eine sinnvolle digitale Bildung fehlt noch ein stimmiges Konzept.“ Liggesmeyer fügt in Hinblick auf den Digitalpakt hinzu, dass es einfacher sei, Endgeräte und Breitbandanschlüsse zu fördern, als das Entwickeln digitaler Inhalte und Konzepte.

Leider ist es so, dass viele Schulleiterinnen und –leiter selbst wenig digital gebildet sind. Für sie ist ein per E-Mail versendetes PDF-Arbeitsblatt pure Digitalisierung. Gefragt sind jedoch Konzepte, die – ähnlich den Blended-Learning-Konzepten – analoge und digitale Methoden verknüpfen. Es geht nicht darum, den Präsenzunterricht 1:1 online abzuhalten, das funktioniert nicht. Liggesmeyer bringt es auf den Punkt, wenn er betont, es ginge darum, „wie Digitalisierung gestaltet werden soll, damit sie auch einen Nutzen bringt“.

Damit ein solches Konzept überhaupt existieren kann, müssen Schulleiterinnen und Schulleiter, dann auch Lehrkräfte ins Boot geholt werden. Sie selbst müssen medienkompetent werden, um diese Kompetenz dann in hochwertigem digitalen Unterricht vermitteln zu können.

Bildung digital: entkommen wir dem „mangelhaft“?

Der eingangs erwähnte Nationale Bildungsbericht stellt Deutschland ein „mangelhaft“ für die digitale Bildung aus, und wir müssen zunächst Kompetenzen stärken, Konzepte finden und können dann erst an die digitale Wissensvermittlung gehen. Noch immer gibt es hierzulande Lehrerinnen und Lehrer, die nicht per E-Mail zu erreichen sind. Was ist eigentlich mit dem DigitalPakt Schule, der seit 1,5 Jahren existiert?

Mit diesem DigitalPakt Schule sollten Schulen mit 5 Milliarden Euro die Digitalisierung voranbringen. Es bringt jedoch nichts, wenn lediglich Geräte angeschafft werden. Oder wenn einzelne Bundesländer aus verschiedenen Gründen ihre Mittel einfach nicht abrufen. Ohne ein entsprechendes pädagogisches Konzept bringen die Gelder nichts – und die Schulung des Schulpersonals sollte in diesem Konzept sehr weit oben stehen. Darin enthalten muss auch eine Schulung der Awareness sein: Risiken zu kennen und sich vor ihnen zu schützen, muss Teil des Lehrplans sowohl für die Lehrenden als auch die Lernenden sein! Letztlich wird der Prozess derzeit auch dadurch verlangsamt, dass es hierzulande Bedenken und eine geringe Offenheit gegenüber digitalen Medien gibt. Aber auch dies ließe sich im Rahmen von Schulungen reduzieren.

Digitalisierung ist ein langfristiger und oft mehrjähriger Prozess, das möchte niemand bestreiten. Nachdem nun jedoch seit 1,5 Jahren der DigitalPakt Schule existiert, wäre es begrüßenswert gewesen, diese Gelder auch entsprechend zu nutzen. Die Corona-Pandemie zeigte uns, wie wichtig digitale Bildung ist. Bleibt zu hoffen, dass ein solches Digitalkonzept fürs Lernen nun wirklich ins Rollen kommt und diese Gedanken nicht mit Beginn des neuen Schuljahres gleich wieder verschwinden.

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