Testberichte

Bargeld war gestern: bargeldlos zahlen – Payment-Anbieter im Test

2. Februar 2016 von Larissa Weigand

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„Nur Bares ist Wahres“: eine Redensart, die womöglich bald der Vergangenheit angehören könnte. Das Geldwesen verändert sich gerade fundamental, und Startups im Bereich Mobile Payment sind daran nicht ganz unschuldig. In unserer neuen Serie widmen wir uns dem bargeldlosen Bezahlen, testen verschiedene Payment-Apps und führen Sie heute mit einigen spannenden Zahlen und Visionen ins Thema ein.

Bargeldlos zahlen: ein kurzer Rundum-Blick

In Deutschland sind wir noch weit davon entfernt, überhaupt daran zu denken, Bargeld gänzlich zu verdammen. Carl-Ludwig Thiele, Bundesbank-Vorstandsmitglied, bezog auf einer Fachkonferenz in Berlin sehr deutlich Stellung: „Restriktionen in der Bargeldhaltung lehnt die Bundesbank ab.“ Nichtsdestotrotz: bargeldloses Zahlen findet langsam eine breitere Akzeptanz.

Blicken wir weiter nach Skandinavien, ein sehr innovationsfreudiges Gebiet, schaut die Sache schon anders aus. Self-Service-Kassen in Supermärkten verzichten gänzlich auf Personal, auf Wochenmärkten ist es selbstverständlich, an Kreditkartenterminals zu zahlen, und selbst den heiligen Klingelbeutel in der Kirche können Gläubige per Checkout füllen. Bargeldloses digitales zahlen ist in Schweden schon so selbstverständlich, dass man kaum umhin kommt, den Gedanken an Bargeld zu verwerfen. Dass einige Geschäfte in Schweden keinerlei Bargeld mehr annehmen möchten, unterstützt diesen Gedanken.

Dänemark geht genau diesen Schritt und schafft das Bargeld ab. Der dänische Staat wird ab 2017, also ab kommendem Jahr, das Drucken von Bargeld einstellen. Warum auch nicht? Es existieren genügend anwendbare Alternativen, sodass die Kosten, die bei der Bargeldversorgung entstehen, eingespart werden können.

In Schweden kennt man noch andere, sehr gute Gründe, aufs Bargeld zu verzichten. Die Polizeipräsidentin von Stockholm steht dem Bargeld sehr skeptisch gegenüber und sieht es als „das Blut in den Adern der Kriminalität“. In Zeiten von Steuerbetrügereien und Überwachung kann dieser Satz sicher kritisch beäugt werden. Jedoch ist nicht von der Hand zu weisen, dass Bargeld die Kriminalitätsrate sicher steigen lässt – denken Sie beispielsweise an Schwarzarbeit.

Abschaffung einzelner Münzen in NRW

Tatsächlich ist auch in Deutschland eine Umstellung zu spüren. All die neuen Anbieter verschiedener Zahlungslösungen wirbeln zweifelsfrei den Staub altbackener Zahlungsmittel auf. Eine Stadt in Nordrhein-Westfalen möchte ganz klein beginnen: als erste Stadt in Deutschland möchte sich Kleve von Ein- und Zwei-Cent-Münzen verabschieden. Rund 800 Einzelhändler in Kleve sind dazu aufgerufen, entsprechend auf- oder abzurunden und keine Ein-/ Zwei-Cent-Münzen mehr auszugeben oder anzunehmen.

Die Teilnahme an der Aktion beruht auf Freiwilligkeit, sowohl aus Kunden- als auch aus Händlersicht. Man hat sich ein Beispiel an unseren niederländischen Nachbarn genommen, wo das Auf- und Abrunden bereits seit über elf Jahren praktiziert wird. In Belgien, Finnland sowie Irland existieren ähnliche Regelungen. Ob die Stadt Kleve damit Schule machen kann? Ob diese Aktion Auswirkungen auf das Bargeld in ganz Deutschland haben wird? Wir dürfen sicher gespannt sein.

Startups erschüttern konventionelles Bankenwesen

Während konventionelle Banken ihre antiquierten Überweisungsträger lediglich durch die Möglichkeiten des Online-Bankings erweitert haben, im Bankensektor jedoch keinerlei Innovationen zu erwarten sind, machen sich junge Unternehmen aus der Finanztechnologie-Branche (kurz „Fintech“ genannt) auf, das gesamte Bargeldsystem auf den Kopf zu stellen. Gebührenstrukturen werden durch diese Startups vereinfacht, privates Finanzmanagement funktioniert per Smartphone und kluge Algorithmen können Haushaltsbücher viel besser führen.

Jedoch existiert ein Aber, das die Erschütterung durch die Startups in Grenzen hält: Regulationen und Gesetze verhindern Bankenlizenzen für solch junge Unternehmen. Dies hat zur Folge, dass die Fintech-Startups nicht in Konkurrenz zum klassischen Bankwesen treten können, sondern auf Kooperation setzen müssen. Eigenverantwortliches Abwickeln von Zahlgeschäften ist einfach nicht drin. Und so fokussieren sich die Startups darauf, Verbrauchern neue Lösungen für alte Probleme zu bieten. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird diese Arbeitsteilung so weitergehen: Fintech-Startups machen Lösungen anwendbar, Banken sorgen für die gesetzeskonforme Infrastruktur.

Mobile Payment: bargeldloses Zahlen per Smartphone

Deutschland gehört zweifelsfrei nicht zu den Innovationsländern, wenn es um mobiles Bezahlen geht. Insgesamt zeigt der deutsche Anwender eher geringes Interesse, was nicht zuletzt umständlicher Anmelde- sowie Setup-Prozesse geschuldet ist. Aber auch der mangelnde Mehrwert stört: Sinn des mobilen Zahlens kann nicht einzig das bargeldlose Zahlen sein, dafür besteht einfach kein Bedarf.

Wie ein solcher Mehrwert aussehen kann, zeigt Burger King in Zusammenarbeit mit dem Startup Opentab: Nutzer können den Burger via Smartphone vorbestellen und bezahlen, bleiben nur noch das Abholen und Essen. Das ist bequem, das macht Sinn. Per Lastschrift oder Kreditkarte kann gezahlt werden. In den Burger King-FAQ ist zu lesen, dass die Bestellung zehn Minuten nach dem Ordern abgeholt werden kann. Ohne zusätzliche Kosten und mit einem Mindestbestellwert von 1,50 € – wer die Burger King-Bestellkarte kennt weiß, dass dies keine Hürden sind. Bislang existiert dieses Pilotprojekt vorrangig in Süddeutschland, weitere Gebiete sollen folgen.

Auch die App Venmo möchte Mehrwerte schaffen, und in den USA kommt das gut an: als Mix aus Payment- und Messenger-Anbieter möchte das Unternehmen vorrangig junge Menschen anziehen. Das Prinzip: Beim Bezahlen wird eine lustige oder verrückte Begründung fürs Zahlen im sozialen Newsfeed der App gepostet. Für junge Menschen womöglich interessant, ab dem 30. Lebensjahr wahrscheinlich nur noch unnütz.

Apple mit Apple Pay sowie Google mit Android Pay verzichten auf lange Registrierungsprozesse – sie nehmen sich schlichtweg die benötigten Kundendaten. Die Vorregistrierung für die Payment-Services geschieht mit dem Anmelden im jeweiligen App-Store und das bargeldlose Zahlen wird zur Nebenfunktion der entsprechenden Mobilgeräte. Mobile Payment ist hier kein einzelnes Produkt, sondern ein Feature – Teil des Ganzen. Bei iTunes sind nahezu 900 Millionen Kundendaten hinterlegt, eine beeindruckende Zahl! So viele potenzielle Anwender, die das Feature weltweit einfach nutzen können. Und mit Mehrwert im Gepäck: eine Registrierung entfällt, Nutzer haben kaum Aufwand und damit geringe Einstiegshürden. Kein Wunder also, dass Apple Pay binnen einen Jahres bereits ein Prozent aller Lebensmitteleinkäufe in den USA für sich verbuchen kann.

Bezahllösungen sollen Probleme lösen

Opentab und Burger King setzen auf „Fast Food“: via Smartphone bestellen und bezahlen, dann abholen, das Hungerproblem ist zügig gelöst. Venmo macht das Bezahlen zum Event – allerdings nicht massentauglich, sondern nur für eine überschaubare Zielgruppe. Apple und Google nehmen die Hürde der Registrierung. Diese Anbieter haben also verstanden, dass sich Anwender Lösungen wünschen – womöglich auch für Probleme, von denen sie selbst noch nicht wussten, wie im Falle Venmo.

Welche Probleme haben wir noch beim Einkaufen? Die Fülle an Kundenkarten, die ein Payment-Anbieter für seine Anwender sortieren könnte, das Verwalten von Coupons wäre sicherlich ebenfalls ein spannender Problemlöser. Grandios wäre auch eine Lösung für zügiges Einkaufen: die App kennt unseren Einkaufszettel und führt uns durch den jeweiligen Markt, wir zahlen an der Self-Service-Kasse mobil und sind nach nur wenigen Minuten glücklich. Ideen und Ansätze existieren – nur die Umsetzung hapert noch.

Eines der Erfolgsgeheimnisse von Google und Apple ist NFC. So bleiben auch die Hürden für Händler extrem gering, denn jedes neue Kartenterminal ist mittlerweile NFC-fähig. Man schätzt, dass bis 2020 sämtliche Terminals hierzulande NFC beherrschen. Die Usability ist also auf beiden Seiten gegeben: Händler und Nutzer sehen keinerlei Einstiegshürden. Man stellt sich weniger die Frage, warum man diese beiden Lösungen nutzen sollte, sondern fragt eher: warum nicht?

Die Mehrwerte der Payment-Lösungen werden einen großen Stellenwert in unseren nachfolgenden App-Tests haben. Warum sollten Sie sich einer Lösung bedienen? Welche Features könnten Ihre Probleme beim Bezahlen lösen? Ein weiterer relevanter Faktor unserer Tests betrifft die Schattenseiten des mobilen Zahlens: die noch mangelnde Sicherheit, die nicht nur sensible Daten trifft, sondern auch Themen wie Schulden und Jugendschutz.

Schattenseiten des bargeldlosen Zahlens

Gehen wir einkaufen und geben 100 € aus, wird uns das beim Zahlen mit Bargeld schmerzvoll bewusst: 100 € wechseln bar den Besitzer. Jedoch sieht die Sache ein wenig anders aus, wenn wir bargeldlos zahlen. Da fallen 100 € nicht so auf. Die Wissenschaft nennt das auch „The Pain of Paying“ – der Schmerz des Bezahlens. Per EC-Karte wird zeitnah abgebucht, per Kreditkarte sammelt sich ein monatlicher Schuldenbetrag an, auf dem noch hohe Zinsen sitzen. Auch bei Zahllösungen wie PayPal wird der Rechnungsbetrag erst einige Tage nach dem Kauf abgebucht. Der Privatverschuldung werden so Tür und Tor geöffnet.

Eine weitere Schattenseite ist die Abhängigkeit, die entstehen kann: stellen Sie sich vor, wir würden ab morgen auf Bargeld verzichten. Die Gewinner wären zweifelsfrei die Global Player wie Apple oder Google, sicherlich würden sich auch einige Startups die Hände reiben. Stellen Sie sich vor, Sie könnten nie wieder Bargeld am Automaten holen, um es als Barreserve daheim zu haben. Sie hätten nur noch die Wahl, Ihr Geld von Anbieter A zu Anbieter B zu transferieren. Ein privatisiertes Geldsystem würde entstehen und der Mensch wäre dem ausgeliefert – inklusive der Bedrohung eines möglichen Technikausfalls.

Diese Abhängigkeit ist derzeit utopisch bzw. – je nach Perspektive – dystopisch. Viel realistischer sind Sicherheitsbedenken: wie gehen Payment-Anbieter mit den persönlichen Daten ihrer Kunden um? Existieren Aufzeichnungen der Geldtransfers? Wo werden diese gespeichert? Wie sicher sind die Lösungen? Können Accounts gehackt werden, wird digitaler Schriftverkehr verschlüsselt und welche Sicherheitsmechanismen greifen bei den einzelnen Payment-Anbietern? Diese Fragen erhalten ebenfalls einen hohen Stellenwert in unseren Tests.

Konkret: diese Anbieter und Kriterien testen wir

Wir schauen uns für Sie verschiedene Anbieter für Payment-Lösungen an. Unser Fahrplan:

  • Number26 und mpass machen den Anfang in der kommenden Woche
  • PayPal und MyWallet von der Telekom legen in der Folgewoche nach
  • die weiteren Wallet-Apps SmartPass (Vodafone) und BASE Wallet (Telefónica) sind mit unterschiedlichen Voraussetzungen und Konditionen gespickt, weshalb wir diese zusammen in der dritten Testwoche behandeln
  • PayCash sieht sich als sichere Lösungen mit individuellen Erweiterungen; wir schauen uns in der vierten Testwoche an, wie praktikabel die Lösung wirklich ist
  • elopay und paysafecard sind unsere letzten Testkandidaten

Um einheitlich testen zu können, schauen wir uns diese Kriterien genauer an:

  • Einstiegshürden: Kosten, Installation/ Setup/ Registrierung, Datenzugriff, Verfügbarkeit (iOS/ Android/ Windows)
  • Usability: Leistungsumfang, Bedienung der App, Mehrwerte
  • Sicherheit: AGB & Datenschutz, Weitergabe persönlicher Daten, Altersbeschränkungen/ Jugendschutz, speichern persönlicher Daten, Sicherheitsparameter

Bargeldlos bezahlen: die Zukunft ist mobil

Das Thema Mobile Payment existiert, seitdem es Mobilgeräte mit Netzwerkverbindungen gibt. Ansätze finden sich in zahlreichen Variationen, den Durchbruch schaffte das mobile Bezahlen bislang jedoch nicht. Mit der aktuell neu angezettelten Diskussion um das Abschaffen des Bargelds jedoch wird auch die Idee des mobilen Zahlens neu gedacht. Fintech-Startups könnten schaffen, was bislang nicht funktionierte: mobiles Bezahlen ohne zu große Einstiegshürden und mit Mehrwerten, die wirklich sinnvoll sind. Unkompliziertes Handling, sichere Lösungen und eine weite Akzeptanz – ob unsere Testkandidaten halten, was sie versprechen, lesen Sie in den kommenden Wochen in unserem Blog.

Natürlich interessiert uns Ihre Meinung: sind Sie bereits begeisterter Mobile-Zahler oder sehen Sie aktuelle Lösungen kritisch? Kommen Sie in den Kommentaren mit uns ins Gespräch – wir freuen uns auf Ihre Meinungen!

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