Testberichte

Messenger-Dschungel: Was hat sich bei WhatsApp & Co. getan?

7. April 2015 von Larissa Weigand

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Vor rund einem Jahr läuteten wir unseren großen Messenger-Test ein. Wir haben seinerzeit die Übernahme von WhatsApp durch Facebook als Anlass genommen, uns nach sicheren WhatsApp-Alternativen umzusehen. In der Zwischenzeit ist viel passiert: Updates erhöhten sowohl die Funktionalität als auch die Sicherheit getesteter Messenger.

Zweite Testrunde: Diese Messenger sehen wir uns genauer an

Noch in diesem Beitrag werden wir uns WhatsApp widmen und uns anschauen, was seit dem Test vor einem Jahr passiert ist. Unser weiterer Fahrplan im Messenger-Test sieht folgende Stationen vor:

In den ersten drei Wochen schauen wir also auf sechs uns bereits bekannte Messenger, die in unserer vorigen Testrunde bereits einen festen Platz hatten. Die darauf folgenden Wochen widmen sich jeweils drei Messengern, die in der Zwischenzeit das Licht der Welt erblickten und Sicherheit versprechen. Ohne weitere Umschweife schauen wir uns nun an, was sich im WhatsApp-Kosmos getan hat.

WhatsApp im Test

Wie bereits in unserer ersten Testrunde, arbeitet WhatsApp ausschließlich auf Smartphones; um die App auf Tablets zu installieren, sind Umwege nötig. Mittlerweile ist es jedoch möglich, WhatsApp Web als Applikation für den Browser zu verwenden. Das Herunterladen von WhatsApp ist nach wie vor einfach und kostenfrei, die geringe Jahresgebühr von 0,89 Euro ab dem zweiten Nutzungsjahr ebenfalls beständig.

Bedienbarkeit & Features von WhatsApp

was-ist-neuDen Einstieg in die WhatsApp-Welt liefert die Verifikation der eigenen Mobilfunknummer. Das erste kostenfreie Nutzungsjahr hat damit begonnen, dass Sie sich über Ihre Handynummer „ausweisen“. WhatsApp-User werden umgehend aus dem Adressbuch erkannt und übernommen, sodass dem ersten Chat nichts im Wege steht. Versenden und empfangen können Sie nach wie vor Text- und Sprachnachrichten, Fotos, Kontaktdateien, Videos sowie Ihren Standort. Neu hinzugekommen ist die Anruf-Funktion: Die sogenannten WhatsApp Calls sind für Android seit Ende März verfügbar, iOS-User müssen sich noch etwas gedulden. Die Oberfläche von WhatsApp zeigt sich bedienerfreundlich; auch Laien finden einen einfachen Einstieg. Alles in allem hat WhatsApp bezüglich der Bedienbarkeit und des Komforts immer eine sehr gute Figur gemacht – daran hat sich auch ein Jahr nach unserem Test nichts geändert.

Die Sicherheit von WhatsApp

Sicherheit war noch vor einem Jahr eine riesige Baustelle für den Messenger: Ungefragt verwendete die App Ihr Telefonbuch, Daten, sogar Gesprächsinhalte, wurden unverschlüsselt übertragen und das Konzept, sich mit einer Mobilfunknummer anstelle eines Namens anzumelden, empfanden wir als fragwürdig, da die IMEI-Nummer Ihres Endgeräts ausgewertet wird. Nicht nur im heimischen Umfeld, sondern auch in öffentlichen WLAN-Netzen wurden Daten via XMPP unverschlüsselt übertragen und Spionage-Apps machten das Ausspähen von Kommunikationen zum Kinderspiel. Diese hatte Google seinerzeit bereits aus dem Play Store entfernt, jedoch waren noch immer genügend Apps installiert, die es auch Einsteigern auf einfachste Weise erlaubt, zu schnüffeln.

Auf Ende-zu-Ende-Verschlüsselung verzichtete WhatsApp noch vor einem Jahr. Dies hatte zur Folge, dass der Anbieter jede Ihrer Unterhaltungen ungehindert mitlesen konnte. Chats wurden zwar nicht auf Servern gespeichert, jedoch auch nicht gelöscht – Statusänderungen sowie Nachrichten landeten irgendwo in der Anwendungsdatenbank. Das, was WhatsApp noch vor einem Jahr „Verschlüsselung“ nannte, war ein netter, aber unbrauchbarer Versuch, Sicherheitsbedenken herunterzuspielen. Diese Baustelle hat WhatsApp ordentlich bearbeitet:

ende-zu-endeWhatsApp bedient sich an der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung des freien Messengers TextSecure aus dem Hause Open Whisper Systems. Die von Kryptographie-Experten hoch geschätzte TextSecure-Verschlüsselung ist speziell auf die Anforderungen ausgelegt, die Messenger mit sich bringen. Diese Erneuerung ist ein großartiger Schritt in die richtige Richtung: Weg von RC4 – einem veralteten und vormals verwendeten Verschlüsselungsalgorithmus, der erst vor wenigen Wochen erneut unter Beschuss geriet – hin zu einer mehrfach geprüften, quelloffenen und hochgeschätzten Ende-zu-Ende-Verschlüsselung. Auch hier funktioniert es leider nicht ohne ein Aber: Bisher verschlüsselt WhatsApp lediglich private Nachrichten; Gruppen-Chats, Foto- oder Videoversand erfolgen noch immer mit alten Methoden. Die Entwickler möchten schnellstmöglich nachbessern, bislang steht jedoch noch kein Termin fest.

Verschlüsselt und gut: Ist WhatsApp nun sicher?

Wenngleich WhatsApp den Nachrichtenversand indessen teilweise verschlüsselt, können wir den Messenger noch immer nicht als sicher betrachten. Beginnen wir beim Anfang: Nach der Installation greift die App ohne Nachfrage auf unser Adressbuch zu, um diejenigen Kontakte in die Favoritenliste zu speichern, die ebenfalls WhatsApp verwenden. Das erhöht zweifelsfrei den Komfort, ist aber genau das Gegenteil von Datenschutz, da Nutzerdaten abgeglichen, also übertragen und verarbeitet werden.

Das Landgericht Berlin stand voriges Jahr vor der Aufgabe, die Klage des Verbraucherzentrale-Bundesverbands (vzbv) gegen WhatsApp zu verhandeln. Der vzbv sah die AGB von WhatsApp als ungültig, da diese ausschließlich in englischer Sprache verfügbar waren – ein Punkt, den auch wir kritisiert haben. Ein Versäumnisurteil führte dazu, dass der vzbv hinsichtlich der Impressum-Pflichtangaben teilweise Recht bekam, die restliche Klage jedoch abgewiesen wurde, und so befinden sich bis heute die Allgemeinen Geschäftsbedingungen sowie die Datenschutzerklärung ausschließlich in englischer Sprache auf der Website von WhatsApp. Die letzte Änderung fand am 7. Juli 2012 statt, sodass die Kritikpunkte unseres ersten Tests noch heute Bestand haben. Zusammengefasst waren das – neben etwaigen Sprachbarrieren – folgende Punkte:

  • Kontaktdaten Dritter: Im Rahmen Ihrer Anmeldung bei WhatsApp wird Ihr Adressbuch ausgelesen. Dabei werden auch die Kontaktdaten Dritter übertragen – ohne dass Sie dem gesondert zustimmen müssten.
  • WhatsApp bleibt proprietär: Ein Teil der AGB ist das Nicht-Einsehen des Quellcodes, und auch künftige Versionen des Messengers sollen proprietär bleiben. In der Folge sind unabhängige Quellcodeanalysen zum Überprüfen der Sicherheitsversprechen nicht möglich.
  • Zugriff für US-Behörden: Noch immer ist WhatsApp nach amerikanischem Recht dazu verpflichtet, auf Anfragen von US-Behörden mit der Herausgabe persönlicher Daten zu reagieren – und dies geheim zu halten.
  • US-Server: Adressbuch- und weitere Daten übermittelt der Messenger regelmäßig auf seine Server, die in den USA beheimatet sind. Das Datenschutzniveau der USA liegt jedoch leider weit unter dem hierzulande.
  • IMEI: Ihre Login-Daten werden mit der Gerätenummer Ihres Mobiltelefons (IMEI) verknüpft. Das sorgt nicht nur dafür, dass Sie als Nutzer getrackt werden, sondern macht auch den Weg für Identitätsdiebstahl frei: So wäre es dem Admin eines WLAN-Netzes beispielsweise problemlos möglich, diese Nummer zu sehen und so Ihr WhatsApp-Konto zu kapern.

Datenschutz: Mehr Schein als Sein

In den Medien war im vergangenen Jahr oftmals zu vernehmen, WhatsApp würde seine Datenschutzmöglichkeiten optimieren. Sind Sie neuer WhatsApp-User, ist es empfehlenswert, Sie setzen sich zunächst mit Ihren Einstellungen auseinander, denn per Default zeigen Sie Ihren WhatsApp-Account jedem. Tippen Sie dafür auf „Einstellungen“ – „Account“ – „Datenschutz“ und überlegen Sie, wer Ihr Profilbild, Ihren Status oder Ihre Online-Aktivitäten sehen kann. Zur Auswahl stehen „Jeder“ (= Standard), „Meine Kontakte“ oder „Niemand“. Sie können hier ebenfalls Kontakte blockieren oder bereits blockierte Kontakte ansehen. Alles in allem dienen diese Einstellungen jedoch weniger dem Datenschutz selbst, als eher der Sichtbarkeit Ihrer Informationen: Wenngleich Ihre Kontakte und/ oder Fremde nicht mehr alles von Ihnen sehen, werden Ihre Daten weiterhin erhoben und genutzt – und in die USA transferiert, wo eigene Datenschutzregeln gelten.

Fazit WhatsApp: Das ist aus dem Messenger geworden

Als wir vor einem guten Jahr erstmals WhatsApp testeten, war der Messenger mit Abstand der beliebteste. Er punktet damals wie heute mit Einfachheit und Komfort – die gesamte Oberfläche glänzt mit überzeugend intuitiver Bedienbarkeit. Für die enorme Verbreitung des Messengers sorgen nach wie vor das Nutzen auf allen gängigen Mobilsystemen, mittlerweile ergänzt durch den Web-Messenger, und das interessante Bezahlkonzept: Ab dem zweiten Nutzungsjahr wird die geringe Gebühr von lediglich 0,89 Euro pro Jahr fällig. Eine geringe Einstiegshürde.

Hinter WhatsApp steckt Facebook mit Sitz in den USA, jedoch gelten europäische Datenschutzrichtlinien. Durch die Safe Harbor-Zertifizierung ist es Facebook gestattet, Ihre Nutzerdaten in die USA zu transferieren, wo US-Datenschutzgrundsätze umgesetzt werden, die nicht an das Niveau heran reichen, das hierzulande als Standard gilt. Möchten Sie es ganz genau wissen, empfehlen wir als Literatur die Safe Harbor-Rechtshinweise von Facebook.

Letztlich haben sich zwei Punkte bei WhatsApp verbessert: Zum einen die Einführung der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, die als sehr positiv zu bewerten ist, jedoch noch deutlich ausgebaut gehört. Zum anderen die Möglichkeit, die Sichtbarkeit Ihrer Daten einzuschränken, was allerdings wenig mit tatsächlichem Datenschutz zu tun hat. Auch die Funktionalität wurde in der Zwischenzeit erweitert; die von vielen gewünschte Anruf-Funktion ist nun beispielsweise unter Android verfügbar. Noch immer ist WhatsApp jedoch mit Vorsicht zu genießen: Möchten Sie sicher Nachrichten versenden und empfangen, ohne Ihr Adressbuch ungefragt abgleichen zu lassen und andere Datenschutzrisiken in Kauf zu nehmen, dann ist WhatsApp noch immer der falsche Messenger für Sie.

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